Willi Küllertz

Erkennt jemand meinen auf den Bildern Vater?

31.8.2018

Nachricht:
Sehr geehrter Herr Büttner,

vielen Dank für das Gespräch mit Ihnen gestern Abend. Warum Medoc? – Wegen dem 24.08.1944!
Vorgeschichte: Vor ca. 2 Jahren bekam ich von meiner Mutter eine Kiste mit alten Unterlagen meines Vaters. Eigentlich war ich schon recht gut informiert über seine Kriegs –und Kriegsgefangenschaftszeit, da er mir immer gerne Auskunft gab, wenn ich irgendwelche diesbezüglichen Fragen hatte. So konnte ich mir immer ein grobes Bild über diesen Abschnitt in seinem Leben machen. Dann habe ich seine Kiste durchstöbert und viele neue Fragen ergaben sich. Seit der Zeit bin ich unermüdlich dabei -wie bei einem Mosaik- alle Kleinigkeiten zu einem großen Gesamtbild zusammenzufügen.
Mein Vater (1925 – 2000) war bei der Kriegsmarine als Maschinenobergefreiter auf dem Flottentorpedoboot T24 eingesetzt. Eisatzraum derzeit war die Biskaya bzw. Bordeaux als Arsenalhafen. Wie schon öfter lag T24 zusammen mit dem Zerstörer Z24 in der Girondemündung zwischen Royan und Le Verdon als schwimmende Flakstellung auf Reede. Grund für weiteres „Nichtauslaufen“ war Brennstoffmangel und unreparierte Schäden am Schiff. Diese beiden Schiffe waren zu dem Zeitpunkt die letzten größeren schwimmenden Einheiten, die die Kriegsmarine im Westraum noch hatte, alle anderen waren bereits vernichtet. Am Morgen des 24.08.1944 wurden die beiden Schiffe durch eine aus britischen und kanadischen Mosquito-Bombern gebildete Einsatzgruppe angegriffen.
Einer der ersten Raketenangriffe von Flugzeug zu Schiff überhaupt. T24 wurde schwer getroffen, und versank an Ort und Stelle. Z24 konnte sich noch mit Schlagseite bis nach Le Verdon retten, sank dann nachts im Hafen. Es gab viele Tote und Verletzte. Sie wurden von der Hafenschutzbehörde Le Verdon aufgefischt. Mein Vater hat das alles überlebt und war dann weiterhin in der Festung Gironde-Süd in dem aus Überlebenden gebildeten „Marinebataillon Narvik“ als Landsoldat. Gemäß amtlichen Unterlagen der Wehrmachtsauskunftsstelle Berlin geriet er am 20.04.1945 in Kriegsgefangenschaft. Also hatte er auch den Krieg überlebt. Im PG-Depot 184 in Soulac hat er in der ersten Zeit dort Minen gesucht und entschärft. Auch das hat erüberlebt. Tote waren aber der Alltag. –Wer die Deminage überlebte, konnte aber auch noch während der Nacht versterben und wurde morgens rausgetragen. Grund: Nahrungsmangel, nichts zu essen. Auch das hat er glücklicherweise überlebt. Nach einigen Monaten kam er als Arbeitskraft zu einem Weinbauer. Dort ging es ihm besser. Nach kurzer Zeit als „der schlechte Deutsche“ gehörte er dort quasi zur Familie. Dezember 1948 kam er wieder nach Hause. In seinen letzten Lebensjahren hat er mich öfter gefragt, ob ich nicht Lust hätte mit ihm mal wieder dort hinzufahren. „Ja, klar!“ -habe ich immer gesagt. Aber wer ahnte, dass er so früh von uns geht? Damit blieb mein Versprechen an ihn unerfüllt. Den mir noch verbliebenen moralischen Rest meines Versprechens wollte ich dann aber nicht auch noch unerfüllt lassen. Immerhin sieht mir mein Vater von ganz oben immer zu… In der Zwischenzeit hatte ich das Buch „Spurensuche am Atlantik“ von Karin Scherf gelesen. Nach einem Telefonat mit Ihr war mir klar: Da muss ich hin!
Durch intensive Recherchen konnte ich die Familien der Nachkommen des Bauern ermitteln. Es bildete sich ein beiderseitiges Interesse und im August 2018 habe ich mit meiner Frau bei der Schwiegertochter des Patron 2 Wochen Urlaub in St. Gaux (gehört zu Saint-Germain-d’Esteuil) gemacht. Wir haben die ganze Familie kennengelernt. Liebenswürdige Leute, die einem enorm viel Respekt entgegenbringen. –Das ist gelebtes Europa! Eine tolle Zeit! – Eine Kombination aus Land+Leute, Entspannung+Genuss und aktivem Geschichtsunterricht. Viele meiner Lücken konnte ich füllen. Meine sehr hohe Erwartungshaltung wurde noch haushoch in Erfüllung übertroffen. Und ich würde es immer wieder so machen! Die bisher großartigste Urlaubsreise meines Lebens! Die einzige Lücke in meiner Suche bleibt aber der Angriff des 24.08.1944. Die britische Fliegereinheit ist lange aufgelöst und im Londoner Militärarchiv ist man nicht bemüht. Die kanadische Einheit hat mir nach Kontaktaufnahme mit dem Presseoffizier ein paar Fotos geschickt. Aber auch mehr nicht. Meine Ergabnisse diebezüglich sind also recht mager.
Auch weitere Informationen zur Festung Gironde-Süd, Marinebataillon Narvik, PG-Depot 184 sind bei mir von brennendem Interesse.
Vielleicht sehen Sie eine Chance an noch weitere Informationen zu gelangen ggf. durch Archive, Zeitzeugen, Überlieferungen usw.?
Ich freue mich über jede Kleinigkeit. Hätten Sie Lust auf diesen Zug aufzuspringen?Wenn ja, bedanke ich mich im Voraus. Ich warte gerne auf eine Antwort von Ihnen in der nächsten Zeit. ich betone das besonders ,weil es mir fernliegt, irgendwelchen Druck zu erzeugen oder jemanden zu nötigen. Nur die Geduldigen werden belohnt.
In diesem Sinne verabschiede ich mich für heute mit hochachtungsvollem Gruß
Willi Küllertz